Beichte und Beichtgespräch - Seelsorge unter besonderem Schutz

Persönliche Erfahrungen als Christ und als Seelsorger haben mich die entlastende, heilsame Wirkung evangelischer Beichte erfahren lassen. Wir können uns als Evangelische glücklich schätzen, dass unsere kirchliche Tradition nicht den Zwang der Beichte, sondern die Freiwilligkeit kennt. Beichte ist ein kostbares Geschenk, das es neu zu entdecken gilt.

 

Manche Erlebnisse und Erfahrungen belasten die Seele so sehr, dass erst das Gespräch mit einem vertrauten Menschen weiterhilft. Das Einzelgespräch und die Einzelbeichte geben dafür Raum. Sie sind Gesprächsangebote, z.B. auch über eigene Erfahrungen als Opfer oder Täter zu sprechen. In der ev. Beichte kann Gottes Zuwendung und Fürsorge im persönlichen Zuspruch der Seelsorgerin oder des Seelsorgers erlebt oder auch Gottes Vergebung von Schuld erfahren werden.

Ein Beichtgespräch steht immer unter dem Siegel der Verschwiegenheit und des Beichtgeheimnisses. Darüberhinaus steht alles, was einem Pfarrer und Pfarrerinnen anvertraut wird, unter einem besonderen staatlichen Schutz (StPO § 53). Das ist vor allem bei Themen von Bedeutung, die das Strafrecht betreffen.
Zur Einzelbeichte - daneben gibt es auch die Gemeinsame Beichte in besonderen Gottesdiensten - wenden Sie sich an einen Pfarrer oder eine Pfarrerin, die durch die Ordination zur Wahrung des Beichtgeheimnisses verpflichtet sind. In der evangelischen Kirche gibt es - normalerweise - keine Beichtstühle. Das Beichtgespräch kann im Amtszimmer des Pfarrers, der Pfarrerin oder auch - wie ich es gern anbiete - im Altarraum der St. Petri-Kirche statt finden.
Martin Luther hat die persönliche Beichte persönlich sehr geschätzt und im 5. Abschnitt des Kleinen Katechismus "eine Weise" der Einzelbeichte vorgestellt. Eine Anleitung zur Einzelbeichte finden Sie im Ev. Gesangbuch (EG, Oldenburg, 793).
Ich wünsche Ihnen, dass Sie durch eigene Erfahrungen die entlastende, erlösende und freimachende Kraft der Beichte erfahren.

Ihr
Michael Kühn, Pastor

 

 

 

 

Die Beichte - Gedanken von Dietrich Bonhoeffer

(Aus: D. Bonhoeffer, Gemeinsames Leben, Abschnitt 5: Beichte und Abendmahl, 1939, Chr. Kaiser Verlag, München)

... Es kann sein, dass Christen trotz gemeinsamer Andacht, gemeinsamen Gebetes, trotz aller Gemeinschaft im Dienst allein gelassen bleiben, dass der letzte Durchbruch zur Gemeinschaft nicht erfolgt, weil sie zwar als Gläubige, als Fromme Gemeinschaft miteinander haben, aber nicht als die Unfrommen, als die Sünder. Die fromme Gemeinschaft erlaubt es ja keinem, Sünder zu sein. Darum muss jeder seine Sünde vor sich selbst und vor der Gemeinschaft verbergen. Wir dürfen nicht Sünder sein. Unausdenkbar das Entsetzen vieler Christen, wenn auf einmal ein wirklicher Sünder unter die Frommen geraten wäre ...
 

Es ist aber die Gnade des Evangeliums, die für den Frommen so schwer zu begreifen ist, dass es uns in die Wahrheit stellt und sagt: Du bist ein Sünder, ein großer heilloser Sünder und nun komm als dieser Sünder, der du bist zu deinem Gott, der dich liebt. Er will dich so, wie du bist, er will nicht irgendetwas von dir, ein Opfer, ein Werk, sondern er will allein dich ....
 

Freue dich! Diese Botschaft ist Befreiung durch Wahrheit. Vor Gott kannst du dich nicht verbergen ...
Aller Schein hat vor Christus ein Ende ...
Damit hat Christus uns die Gemeinde und in ihr den Bruder zur Gnade gemacht. ....
Der Bruder steht vor uns als das Zeichen der Wahrheit und der Gnade Gottes. Er ist uns als Hilfe gegeben. ...
Gehe ich zur brüderlichen Beichte, so gehe ich zu Gott. ....
In der Beichte geschieht der Durchbruch zur Gemeinschaft. Die Sünde will mit dem Menschen allein sein.
... In der Beichte geschieht der Durchbruch zum Kreuz. Die Wurzel aller Sünde ist der Hochmut, die superbia. .... Die Beichte vor dem Bruder ist tiefste Demütigung, sie tut weh, sie macht gering, sie schlägt den Hochmut nieder. ....
In der Beichte geschieht der Durchbruch zum neuen Leben. ... Die Beichte ist die Erneuerung der Tauffreude. ...
In der Beichte geschieht der Durchbruch zur Gewissheit. Woran liegt es, dass uns oft das Sündenbekenntnis vor Gott leichter wird als vor dem Bruder? ... Wer vor dem Bruder seine Sünden bekennt, der weiß, dass er hier nicht mehr bei sich selbst ist, der erfährt in der Wirklichkeit des Anderen die Gegenwart Gottes. ... Luther selbst gehörte zu denen, die sich ihr christliches Leben ohne die brüderliche Beichte nicht mehr denken konnten. ....
Nicht Lebenserfahrung, sondern Kreuzerfahrung macht den Beichthörer. ...
Es ist nicht Mangel an psychologischen Kenntnissen, sondern Mangel an Liebe zu dem gekreuzigten Jesus Christus, wenn wir so armselig und untauglich sind für die brüderliche Beichte. Im täglichen ernsten Umgang mit dem Kreuz Christi vergeht dem Christen der Geist menschlichen Richtens und schwächlicher Nachsicht, er empfängt den Geist des göttlichen Ernstes und der göttlichen Liebe. ...
 

Vor zwei Gefahren muss die christliche Gemeinschaft, die die Beichte übt, sich hüten. Die erste geht den Beichthörer an. Es ist nicht gut, wenn einer der Beichthörer für alle anderen ist. ...
Die zweite Gefahr geht den Beichtenden an. Er bewahre seine Seele um ihres Heiles willen davor, dass seine Beichte jemals zu einem frommen Werk wird. ...
... so dient die Beichte der christlichen Gemeinschaft besonders zur Vorbereitung des gemeinsamen Ganges zum heiligen Abendmahl. Versöhnt mit Gott und Menschen wollen die Christen Leib und Blut Jesu Christi empfangen. ...
Was Jesus den Vorwurf der Gotteslästerung eintrug, nämlich dass er Sünden vergab, das geschieht nun in der christlichen Bruderschaft in der Kraft der Gegenwart Jesu Christi. ...
Der Tag des Abendmahls ist für die christliche Gemeinschaft ein Freudentag. ...
Die Gemeinschaft des heiligen Abendmahls ist die Erfüllung der christlichen Gemeinschaft überhaupt. So wie die Glieder der Gemeinde vereinigt sind in Leib und Blut am Tisch des Herrn, so werden sie in Ewigkeit beieinander sein. Hier ist die Gemeinschaft am Ziel. Hier ist die Freude an Christus und seiner Gemeinde vollkommen. Das gemeinsame Leben der Christen unter dem Wort ist im Sakrament zu seiner Erfüllung gekommen.

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